Die Kompensation von Blindleistungskomponenten zur lokalen Leistungsfaktorkorrektur ist eines der grundlegenden Themenfelder im Bereich Power Quality. Je nach Umfeld, Einsatzgebiet und Fokus bieten sich unterschiedliche Lösungsansätze an, die auf einem identischen Wirkprinzip beruhen. Das Warum, die Zusammenhänge, die Grundlagen sowie einige explizite Lösungsansätze (Passive Filter, SVC, Aktive Filter und SVG) werden im Folgenden näher beschrieben. # Grundlagen Wie bereits im Artikel zur Leistung ausführlich erläutert, beschreibt der Leistungsfaktor λ das Verhältnis des Betrages der Wirkleistung P zur Scheinleistung S. Die Zusammenhänge werden in der folgenden Abbildung nochmals verdeutlicht:  *Abbildung 1 – Zusammenhang von Leistung und Leistungsfaktor* Lässt man den Verzerrungsanteil D (D = 0) bei der Betrachtung unberücksichtigt, so lässt sich der Zusammenhang betragsfrei durch den Wirkfaktor Cos φ beschreiben. Dabei entspricht der Winkel φ der Phasenverschiebung bzw. dem zeitlichen Versatz zwischen Spannung U(t) und Strom I(t). Liegt der Winkel zwischen > 0° und 90°, spricht man von induktiver Blindleistung und induktiven Netzen, in denen der Strom der Spannung nacheilt. Liegt der Winkel zwischen -90° und < 0°, spricht man von kapazitiver Blindleistung und kapazitiven Netzen, in denen der Strom der Spannung vorauseilt (siehe Abbildung 2).  *Abbildung 2 – Induktive und Kapazitive Blindleistung* Der Betrag des Wirkfaktors wird als Verschiebungsfaktor definiert, weshalb die resultierende Blindleistung auch als Verschiebungsblindleistung bezeichnet wird. Bei Berücksichtigung der in Versorgungsnetzen üblicherweise auftretenden Verzerrungsanteile D ist diese Vereinfachung aufgrund der uneinheitlichen Phasenverschiebungswinkel der einzelnen Oberschwingungsanteile nicht mehr möglich. Der Wirkfaktor Cos φ beschreibt daher immer den Verschiebungsanteil bezogen auf den Grundschwingungsanteil (50/60 Hz) und wird häufig auch als Fundamentalfaktor PF_1 oder PF_fundamental bezeichnet. # Ursachen der Phasenverschiebung Bei rein ohmschen Verbrauchern sind Spannung und Strom in Phase. Der cos φ ist daher 1, was bedeutet, dass die gesamte von der Quelle gelieferte Energie vom Verbraucher umgesetzt wird. Eine Korrektur ist in diesem Fall nicht erforderlich. Versorgungsnetze enthalten aber üblicherweise auch nicht-ohmsche Komponenten, wie z.B. Induktivitäten (Transformatoren, Drosseln,..) und Kapazitäten (Kondensatoren). Ein Beispiel hierfür ist der direkt angeschlossene Motor (Asynchronmotor), der zur Erzeugung seines Magnetfeldes induktive Blindleistung aus dem Versorgungsnetz benötigt. Dieses Magnetfeld wird zunächst im Motor aufgebaut und bei anschließender Änderung der Spannungsrichtung (Wechselstromnetz) wieder abgebaut und an die Quelle zurückgegeben. Dieser Vorgang wiederholt sich periodisch. Es entsteht eine induktive Blindleistung (Q_Last), die im Drehstromnetz am Asynchronmotor ein Drehfeld erzeugt, das mit der Netzfrequenz rotiert. Die dazu erforderliche Blindleistung pendelt periodisch zwischen Last und Quelle. Dieser phasenverschoben schwingenden Anteile belasten Leitungen und Infrastrukturelemente (Sicherungen, Schalter,..) ohne jeglichen energetischen Nutzen. In vielen Beispielen wird Blindleistung auch als „Schaum“ im Netz bezeichnet (vgl. Schaum im Bierglas oder Stromschnellen, ...). Energieversorger begrenzen den Schaumanteil in ihren Lieferverträgen und legen hier ein entsprechendes Fenster für den Wirkfaktor/Leistungsfaktor fest (z.B. 0,95 kapazitiv bis 0,90 induktiv) - Über- und Unterschreitungen des zugesicherten Fensters werden in der Regel sanktioniert. # Blindleistungskompensation Aufgabe der Blindleistungskompensation ist es, diese Winkelverschiebung zu minimieren und die Ausbreitung von Blindleistung über die Infrastruktur oder zum Energieversorger zu verhindern. Zur Kompensation wird die jeweils entgegengesetzte Blindleistungsform benötigt, z.B. kapazitive Blindleistung zur Kompensation induktiver Blindleistung und umgekehrt. Die folgende Abbildung zeigt die Kompensation anhand einer stark induktiven Last:  *Abbildung 3 – Prinzip Blindleistungskompensation* Die Bereitstellung der erforderlichen kapazitiven oder induktiven Blindleistung erfolgt über verschiedene passive oder aktive Blindleistungsquellen, die an einem definierten Punkt die von der Last benötigten Blindleistungsanteile zur Verfügung stellen. Der durch die Last verursachte Cosφ von 0,7 (induktiv) wird durch die in diesem Fall zu 100% kapazitive Kompensationsleistung eliminiert - der Schaum wird somit bereits an der Quelle eliminiert und entlastet somit die übrige Infrastruktur. Die dazu notwendigen Blindleistungsquellen können nach verschiedenen Kriterien und Einsatzgebieten unterschieden werden. Jede Form der Bereitstellung hat unterschiedliche Vor- und Nachteile sowie Einsatzgebiete. Für Details empfehlen wir die jeweils weiterführenden Artikel. # Passive Kompensation In der Vergangenheit wurden vor allem passive Kompensationsanlagen eingesetzt, bei denen abgestimmte Filterstufen, bestehend aus einer Kombination von definierten Kondensatoren und Induktivitäten, über einen Schalter (Schütz) oder Thyristor zu- oder abgeschaltet werden. Die Regelung erfolgt über einen Power-Factor-Controller (PFC), der aufgrund der gemessenen Ströme und Spannungen die erforderlichen Kompensationsstufen statisch zuschaltet.  *Figure 4 – Passive Kompensation mit fixen Stufen* Der Schwerpunkt dieser Anlagen liegt in der stufenweisen Bereitstellung von kapazitiver Blindleistung zur Kompensation stark induktiver Netze sowie zur gezielten Dämpfung einzelner ausgewählter Oberschwingungen. Ein analoger Aufbau zur Bereitstellung von induktiver Blindleistung in Form von schaltbaren Induktivitätsstufen ist aufgrund der geringeren Grundschwingungsimpedanz der Induktivität gegenüber einer Kapazität nicht sinnvoll. # Verdrosslungsgrad Nicht zu verwechseln ist dies mit den in der Regel eingebauten Drosseln einer passiven Kompensationsanlage mit der Möglichkeit zur Kompensation induktiver Blindleistung. Diese werden nur zum Schutz der Kondensatoren eingebaut, um zusätzliche Resonanzpunkte durch die teilweise hohen Ableitströme über die Kondensatoren zu vermeiden. Man spricht hier auch vom Verdrosselungsgrad passiver Kompensationsanlagen (z.B. 15% Verdrosselung). # SVC – Static Var Compensation Eine Weiterentwicklung der statischen Kompensation in festen Stufen ist die thyristorgesteuerte variable Blindleistungskompensation SVC (Static Var Compensation). Das Funktionsprinzip entspricht der festen Kompensation, jedoch verfügen diese Systeme zusätzlich über einen dynamischen Anteil, der flexibel und weitgehend stufenlos nachgeführt werden kann. Um die erforderliche Dynamik zu erreichen, werden anstelle von Schaltern (Schützen) Thyristorsätze zur Kopplung der Kondensator- und Induktivitätsstufen verwendet.  *Figure 5 – Thyristor gesteuerte Static Var Compensation* Die über einen Thyristorsatz realisierte Phasenanschnittsteuerung schaltet gezielt Kapazitäten oder Induktivitäten ins Netz und kann somit den Kompensationsgrad weitgehend frei einstellen. Aufgrund des einfachen und robusten Aufbaus werden solche Systeme besonders in rauer Umgebung (Schwerindustrie) eingesetzt. Thyristoren, Induktivitäten sowie Kondensatoren sind für verschiedene Spannungsebenen verfügbar, so dass z.B. eine direkte Kompensation von Induktionsöfen auf Mittelspannungsebene möglich ist. Auch für diese Systeme gilt, dass induktive Leistung nur begrenzt und mit hohen Verlusten bereitgestellt werden kann. # Dynamische Netze erfordern dynamische Kompensationen Der Nachteil, nur induktive Blindleistungsanteile kompensieren zu können, sowie der stetig zunehmende Einsatz von geregelten Antriebssystemen mit teilweise stark kapazitiver Ausrichtung im Teillast- und Leerlaufbetrieb führen dazu, dass der Einsatz von passiven, statischen Filtern in vielen Fällen nicht mehr ausreichend ist. Insbesondere industrielle Versorgungsnetze unterliegen hinsichtlich des Leistungsfaktors teilweise starken Schwankungen zwischen stark induktivem und stark kapazitivem Lastverhalten. Aktive elektronische Lösungen (PQ-Aktoren) können hier dynamisch eingreifen und sowohl kapazitive als auch induktive Blindleistung bedarfsgerecht bereitstellen. Anstelle von festen Kapazitäten und Induktivitäten, die statisch über Schalter (mechanisch, Thyristoren) geschaltet werden, wird hier Leistungselektronik (IGBT-Wechselrichter) zur Erzeugung der benötigten Blindleistung eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird häufig auch von VSC (Voltage Source Converter) gesprochen, da hier eine regelbare Spannungsquelle zur Bereitstellung von Blindstrom (Blindleistung) verwendet wird. Thyristorbasierte Systeme werden dagegen als CSC (Current Source Converter) bezeichnet, da hier eine Stromquelle zur Leistungsbereitstellung verwendet wird. # APF - Aktives Filter Das Aktive Filter, das bereits ausführlich im Artikel zum Funktionsprinzip besprochen wurde, ist der bekannteste und am flexibelsten einsetzbare Vertreter der VSC basierten PQ-Aktoren. Basierend auf der im DC-Zwischenkreis gespeicherten Energie und dem IGBT-Wechselrichter kann das aktive Filter nahezu beliebige Spannungsformen (Form, Frequenz, Amplitude, Phasenlage) erzeugen. Da hier in der Regel Kondensatoren als Energiespeicher eingesetzt werden, beschränkt sich der Einsatzbereich des Filters im Wesentlichen auf die jeweiligen Blindleistungskomponenten (siehe Funktionsprinzip Aktives Filter). Als universelles Werkzeug wird es neben der Blindleistungskompensation vor allem zur Kompensation von Oberschwingungen sowie zur Lastsymmetrierung eingesetzt. Zu den erweiterten Einsatzgebieten gehören je nach Schaltung und Konfiguration zunehmend auch Themen wie Flickerkompensation, aber auch die Kompensation von kurzen Spannungsunterbrechungen. Bei der Blindleistungskompensation zur Leistungsfaktorkorrektur wird das aktive Filter in der Regel parallel zum Versorgungsnetz geschaltet und wirkt hier als regelbare induktive oder kapazitive Blindleistungsquelle für die nachliegenden Lasten.  *Abbildung 6 – Active Filter basierte Power-Factor Compensation* Der Einsatz leistungselektronischer Systeme hat den Vorteil, dass innerhalb einer Halbperiode zwischen induktiver und kapazitiver Bereitstellung gewechselt werden kann, begrenzt nur durch die Regelzeiten des Reglers. Basierend auf dem gemessenen Laststrom kann der VSC-basierte Aktor somit die netzseitig benötigten Blindstromkomponenten der Last nahezu zeitgleich zum Bedarf bereitstellen und entlastet damit die Infrastruktur vor dem Filter bis zur Quelle entsprechend seiner Leistungsfähigkeit. # SVG – Static Var Generator Der statische Var-Generator (SVG) ist eine Variante des VSC-basierten PQ-Aktors, die speziell zur Verbesserung des Leistungsfaktors entwickelt wurde. Seine Konstruktion, sein Aufbau und seine Funktionsweise entsprechen denen des beschriebenen aktiven Filters. Durch die Fokussierung auf die Verarbeitung der Grundschwingungen (50/60Hz) sind jedoch keine umfangreichen Messdatenanalysen (z.B. FFT - Fast Fourier Transform) erforderlich, was die Regelung vereinfacht und kurze Reaktionszeiten ermöglicht. # Static Synchronous Compensator - STATCOM Der Static Synchronous Compensator oder kurz STATCOM ist eine weitere Variante des PQ-Aktors. Er nutzt ein spezielles Anschluss- und Regelungsschema, um hauptsächlich durch die dynamische Absorption und Bereitstellung von Blindleistung zur Spannungsregelung und damit Stabilisierung des Stromnetzes beizutragen. Das Grundprinzip ist vergleichbar mit dem SVG, da auch hier der Fokus auf den 50/60 Hz Grundschwingungsanteilen liegt. Zur Erhöhung des Wirkungsgrades ist der DC-Zwischenkreis des Systems deutlich größer dimensioniert und teilweise nach außen geöffnet, so dass z.B. externe Energiespeicher (z.B. Superkondensatoren) angeschlossen werden können.  *Abbildung 7 – STATCOM* # Zusammenfassung Die Blindleistungskompensation trägt wesentlich zur Verbesserung des Leistungsfaktors und damit zur Effizienzsteigerung und Stabilisierung von Versorgungsnetzen bei. Die passive Kompensation mit festen Stufen und Filtern ist eine traditionelle Methode, die jedoch in dynamischen Netzen mit schwankenden Lasten an ihre Grenzen stößt. Moderne aktive Kompensationsmethoden wie APF und SVG ermöglichen eine flexible und schnelle Anpassung an wechselnde Lastbedingungen und verbessern damit die Netzqualität effizienter. Der Bedarf an dynamischer und effizienter Blindleistungskompensation wird mit zunehmender Komplexität und Dynamik der elektrischen Versorgungsnetze sowie der steigenden Anzahl geregelter Antriebssysteme, rückspeisefähiger Systeme (z.B. Active Frontends) und insbesondere durch die Integration erneuerbarer Energiequellen (z.B. PV-Anlagen) weiter zunehmen. Ein ganzheitliches Management und Kontrolle der verteilten Systeme mit einer zielorientierten übergeordneten Systemführung wird in Zukunft immer wichtiger.